Hummer und Languste: Welcher Wein hält mit?

Hummer Thermidor, gegrillte Languste oder Bisque – jede Zubereitung verlangt nach einem anderen Wein. Warum Chardonnay nicht immer die Antwort ist und wann sogar Rotwein funktioniert.
Neulich in der Poissonnerie um die Ecke: Ein Tourist fotografiert einen bretonischen Hummer, als wäre es der Eiffelturm. Seine Begleiterin fragt die Verkäuferin, welcher Wein dazu passe. „Champagner, Madame!" Die Antwort kommt wie aus der Pistole – und ist nicht einmal falsch. Nur eben: auch nicht die ganze Wahrheit.
Denn wer Hummer oder Languste auf den Tisch bringt, steht vor einer Entscheidung, die weniger mit Prestige zu tun hat als mit Präzision. Diese Krustentiere sind zu teuer und zu delikat, um sie mit dem erstbesten Weißwein abzuspeisen. Die Frage ist nicht, ob der Wein „edel genug" ist, sondern ob er zur Zubereitung passt.
Hummer und Languste sind Delikatessen, die nach großen Weinen verlangen – so die Theorie
Die Liste möglicher Begleiter ist lang: Puligny-Montrachet und Meursault aus der Bourgogne, Condrieu und Saint-Joseph aus dem Rhônetal, Sancerre und Pouilly-Fumé von der Loire, Savennières und Montlouis-sur-Loire für die Chenin-Fraktion. Aus Italien kommen Soave Classico, Vermentino und Gavi ins Spiel, aus dem Elsass Gewürztraminer und Pinot Gris, aus dem Languedoc Viognier, aus Bordeaux die Weißen von Pessac-Léognan und Graves. Selbst ein Sauvignon Blanc aus Marlborough kann funktionieren, vorausgesetzt, die Zubereitung spielt mit.
Denn in der Praxis hängt die Wahl weniger vom Prestige der Flasche ab als von dem, was auf dem Teller passiert. Ein Chablis, der zu gegrilltem Hummer mit Butter triumphiert, scheitert an Hummer Thermidor. Ein Gewürztraminer, der kreolische Würze pariert, erdrückt zarte Langusten-Ravioli.
Aber bevor es ans Eingemachte geht ...
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Hummer und Languste?
Hummer und Languste werden gern in einen Topf geworfen, dabei unterscheiden sie sich erheblich. Der Hummer trägt seine Scheren wie Statussymbole, und genau dort (sowie im Schwanz) sitzt das zarteste Fleisch. Meist wird er gekocht oder gedämpft, danach mit Butter, Sahne oder Zitrone veredelt. Das Fleisch ist weich, leicht süßlich, fast cremig.
Abenteurerin vs. Dandy
Die Languste hingegen kommt ohne Scheren aus. Ihr Schwanzfleisch ist fester, der Geschmack subtiler, manchmal fast nussig. Sie wird häufiger gegrillt oder gebraten, oft mit würzigen Marinaden oder kräftigen Saucen konfrontiert. Kurz: Der Hummer ist der Dandy, die Languste die Abenteurerin.
Und der Wein? Der muss sich darauf einstellen.
Gegrillter Hummer
Gegrillter Hummer ist die puristische Variante: längs aufgeschnitten, mit Butter bestrichen, auf den Rost gelegt. Dazu ein Spritzer Zitrone, vielleicht etwas Knoblauch. Klingt einfach, ist es auch. Nur: Die Butter verlangt nach einem Wein, der Struktur mitbringt, nicht nach einem laschen Chardonnay aus der Massenproduktion.
Ein mineralischer Chablis oder ein trockener Riesling
Ein Chablis oder Puligny-Montrachet aus Burgund funktioniert, weil die Mineralität die Butter durchschneidet, ohne das Fleisch zu erdrücken. Auch ein trockener Riesling aus dem Elsass – etwa ein Grand Cru aus Schlossberg – hat genug Säure, um Butter und Zitrone in die Schranken zu weisen.
Und ja, Champagner geht auch. Aber bitte kein Exemplar, das nach Brioche und Vanille schreit, sondern ein (Ruinart) Blanc de Blancs mit Biss. Die Perlage sorgt dafür, dass die Sämigkeit nicht zum Klebstoff wird.
Hummer à l'américaine
Die französische Küche liebt das Theater, und Hummer à l'américaine ist ihre Bühne: Das Fleisch wird in Butter angebraten, mit Cognac flambiert, dann in einer Sauce aus Tomaten, Weißwein, Schalotten und Kräutern geschmort. Das Ergebnis ist reichhaltig, komplex, und braucht einen Wein, der nicht gleich kapituliert.
Flambiert und dramatisch
Ein Condrieu oder weißer Saint-Joseph aus dem Rhônetal bringt die nötige aromatische Fülle mit, ohne die Sauce zu übertönen. Auch ein Vermentino aus Sardinien (etwa von der Gallura-Küste) kann hier punkten: floral, fruchtig, mit genug Körper, um mitzuhalten.
Wer ein Faible für italienische Weine hat, greift zu einem Soave Classico. Nicht die wässrige Supermarkt-Variante, sondern einen aus den Hügeln von Monteforte d'Alpone. Der hat Substanz.
Hummer Thermidor
Hummer Thermidor ist das Gericht, das man bestellt, wenn man jemandem imponieren will – oder sich selbst. Eigelb, Crème fraîche, Senf, manchmal Cognac, alles in der Schale gratiniert. Es ist reichhaltig bis an die Grenze des Erträglichen.
Gratiniert-dekadent = Wein mit Rückgrat
Hier braucht es einen Wein mit Rückgrat. Ein Meursault aus Burgund ist die klassische Wahl, aber Vorsicht: Zu viel Holz macht aus der Dekadenz eine Katastrophe. Besser ein Savennières oder Montlouis-sur-Loire aus dem Loiretal. Der mineralische Chenin Blanc besticht mit weißen Früchten. Vor allem hat er genug Säure, um die Sahne zu bändigen.
Auch ein weißer Bordeaux aus Pessac-Léognan oder Graves funktioniert, solange er nicht im Barrique ausgebaut wurde.
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Languste à la créole
In der Karibik wird Languste gegrillt und mit einer Marinade aus Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Chilis und Limette serviert. Hier haben wir es mit einem Gericht zu tun, das von der subtil-feinen französischen Küche recht weit entfernt ist. Dementsprechend herausfordernd ist die Weinauswahl.
Würzig-opulente Weine mit Restsüße
Ein Gewürztraminer aus dem Elsass hält dagegen – würzig, opulent, mit genug Restsüße, um die Schärfe abzufedern. Auch ein Pinot Gris, aber bitte kein schlaffer, sondern einer mit Struktur. Alternativ: ein Viognier aus dem Languedoc oder ein Sauvignon Blanc aus Marlborough, Neuseeland. Letzterer bringt die Zitrusnoten mit, die das Gericht braucht.
Langusten-Ravioli
In Ligurien und Sizilien füllt man Ravioli mit Languste und serviert sie mit einer feinen Krustentiersauce. Was hier passt?
Italienisches oder Burgunder? Die Qual der Wahl
Ein Vermentino aus Ligurien oder ein Gavi aus dem Piemont – floral, fruchtig, mit genug Frische, um die Pasta nicht zu beschweren. Auch ein Chablis oder Saint-Aubin aus Burgund funktioniert, wenn man es etwas mineralischer mag.
Langusten-Bisque
Langusten-Bisque ist eine Suppe, die keine sein will: samtig, aromatisch, mit Cognac oder Sherry abgerundet. Die Schalen werden zur Basis verarbeitet, die Crème macht den Rest.
Sauvignon Blanc oder Chenin Blanc sind hier ideale Partner
Ein Sancerre oder Pouilly-Fumé aus der Loire ist hier die beste Wahl: Sauvignon Blanc mit Präzision, ohne die Aromen zu übertönen. Wer es etwas fülliger mag, greift zu einem Chenin Blanc aus Vouvray.
Und wenn es Rotwein sein soll?
Ja, auch ein Roter kann passen. Allerdings nur mit Vorsicht. Ein Pinot Noir aus Burgund – etwa ein Volnay oder Chambolle-Musigny – hat genug Finesse, um nicht über das Fleisch zu stolzern. Auch ein Gamay aus dem Beaujolais, am besten ein Cru wie Fleurie oder Morgon, funktioniert dank seiner Säure und geschmeidigen Tannine. Alles andere ist nichts anderes als Selbstsabotage.
Bon Appétit!
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