Roséwein: Belangloser Urlaubswein oder Symbol für Glamour und Luxus?

Roséwein: Belangloser Urlaubswein oder Symbol für Glamour und Luxus?

Gewiss, Roséwein entsteht mancherorts als eine Art Nebenprodukt. Doch zahlreiche Spitzenweingüter der Provence konzentrieren sich nahezu ausschließlich auf Rosé – mit sichtbarem Erfolg ...

Von den sonnenverwöhnten Hängen der Côtes de Provence bis zu den renommierten Appellationen Bandol und Tavel entstehen Rosé-Weine, die Charakter, Tiefe und Anspruch vereinen. Hier keltern passionierte Winzer Ikonen des Genres – kraftvolle, elegante Rosés, die das Terroir und die Tradition ihrer Herkunft eindrucksvoll zum Ausdruck bringen. Höchste Zeit also, diesen Meisterwerken der Rosé-Kunst die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Rosé-Ikonen: Vom südfranzösischen Geheimtipp zum Luxus-Phänomen

In Frankreich hat man Roséwein schon immer ernst genommen. Das gilt besonders für den Süden des Landes, wo der farbenfrohe Wein fester Bestandteil der mediterranen Lebensart ist. Dennoch brauchte es 3 Jahrzehnte, bis der Rosé-Champagner-Boom der 90er Jahre auch die Welt der stillen Rosés an Teilen der Weinwelt erreichte, die anders als Frankreich nicht auf eine alte Rosétradition zurückblicken konnten. Doch spätestens mit dem mittlerweile legendären 2012er Miraval Rosé ist der farbenfrohe Wein auf internationaler Ebene salonfähig geworden - und eine ernstzunehmende Kategorie im gehobenen Weinsegment.

Warum Rosé (viel) mehr verdient als das Attribut Urlaubswein

  1. Ja, Rosé ist ebenso hochwertig wie Weiß- oder Rotwein!

  2. Roséwein gibt es in allen Preissegmenten und für jeden Geschmack. Dass ein Côtes de Provence Rosé ebenso hochwertig sein kann wie ein Bordeaux Rotwein, haben diverse Spitzenweingüter der Provence mit ihren prämierten Rosés bewiesen, die von der internationalen Weinkritik ebenso gelobt werden wie ihre weißen und roten Kollegen.

  3. Roséwein ist komplex in der Herstellung (und kein Verschnitt von Weiß- und Rotwein ...)

  4. In Europa ist die Rosé-Herstellung streng reglementiert, das Verschneiden von Weiß- und Rotwein ist strikt verboten. Rosé aus Frankreich, Deutschland, Spanien oder Italien wird aus Direktpressung oder der (hoch komplexen) Saignée-Methode gewonnen.

  5. So mancher Roséwein ist zum Lagern geeignet: Das Gros der Rosés - inklusive die hochwertigen Tropfen von berühmten Weingütern - sind tatsächlich zum schnellen Genuss konzipiert und sollten nicht allzu lange im Keller verweilen. Dennoch gibt es sie, die Roséweine zum Lagern. So bauen Top-Produzenten wie Galoupet ihre Tropfen im Barrique aus. Das Resultat sind lagerfähige Rosés, die sich wunderbar lagern lassen - und besonders edle Food-Pairing-Optionen bieten.

Die besten Rosés

Die berühmtesten (und besten) Rosés stammen aus den südfranzösischen Top-Appellationen, die für ihr einzigartiges Terroir und ihre jahrhundertealte Rosétradition bekannt sind. Allen voran steht die Appellation Côtes de Provence, die als Inbegriff französischer Spitzenrosés gilt und einige der prestigeträchtigsten Weingüter beheimatet. Das Weinbaugebiet ist bekannt für seine herausragenden Rosés zahlreicher renommierter Weingüter. Zu den bekanntesten zählen Château d'Esclans, berühmt für seinen „Whispering Angel“ und den exklusiven „Garrus“; Domaines Ott, das mit Weinen wie „Château de Selle Rosé" und "Clos Mireille Rosé" Maßstäbe setzt; sowie Château Minuty, bekannt für seinen eleganten "M de Minuty Rosé" und, last but not least, Miraval, der Shooting-Star unter den Rosé-Produzenten, dessen Spitzenrosés maßgeblich dazu beigetragen haben, den rosaroten Wein salonfähig zu machen.

Dem breiten Publikum weniger bekannt ist die Appellation Bandol, in der lagerfähige Rosés entstehen. Weiter westlich findet man das Languedoc und die prestigeträchtige Südrhône-Appellation Tavel als einziges Weinbaugebiet Frankreichs, das ausschließlich Rosé produziert. Dementsprechend hochwertig sind die Tropfen. Auch Korsika hat sich mit eleganten, mineralischen Weinen aus der einheimischen Rebsorte Sciaccarellu einen Namen gemacht. 

Geschmack und stilistische Unterschiede

Stilistisch variieren die Roséweine dieser Weingüter je nach verwendeten Rebsorten, Terroir und Vinifikationsmethoden. Einige Weine zeichnen sich durch eine blassrosa Farbe und eine leichte, frische Aromatik aus, während andere intensivere Farbtöne und komplexere Geschmacksprofile mit Noten von roten Früchten, Zitrus und floralen Nuancen bieten. Die Unterschiede in Bodenbeschaffenheit, Mikroklima und Höhenlage innerhalb der Côtes de Provence tragen ebenfalls zur Vielfalt der Roséstile bei. 

5 Spitzenrosés, die jeder Fine-Wine-Freund kennen sollte

Miraval

Der Miraval Rosé, entstanden aus der Zusammenarbeit von Brad Pitt, Angelina Jolie und der renommierten Weinfamilie Perrin, hat sich in kürzester Zeit vom Promi-Wein zum internationalen Kultklassiker entwickelt. Die Cuvée aus Grenache, Cinsault, Rolle und Syrah überzeugt mit lachsrosa Farbe, einem Bouquet von Erdbeeren, Himbeeren und Melone sowie floralen Noten. Am Gaumen zeigt er sich kraftvoll, fruchtig-saftig und elegant, mit belebender Zitrusfrische und einer dezenten, salzigen Mineralität – ein Paradebeispiel für die Finesse und Frische südfranzösischer Rosés.

Minuty

Minuty steht seit Generationen für authentischen Rosé-Genuss und verkörpert wie kaum ein anderes Weingut das Lebensgefühl der Côte d’Azur. Die Weine, insbesondere der M de Minuty, sind bekannt für ihre brillante, helle Farbe und ein aromatisches Profil von Zitrusfrüchten, weißen Blüten und knackigen roten Beeren. Am Gaumen sind sie leicht, frisch und von einer subtilen Mineralität geprägt. Minuty gelingt es, Tradition und Moderne zu verbinden und so Rosés zu schaffen, die sowohl als Aperitif als auch als vielseitiger Essensbegleiter begeistern.

Château Galoupet,

Die Weine von Château Galoupet, ein Cru Classé der Appellation Côtes de Provence, fügen sich harmonisch in die Tradition der Côtes de Provence ein, heben sich jedoch durch ihre besondere Tiefe und ihr Alterungspotenzial hervor, was sie zu herausragenden Vertretern ihrer Appellation macht. Neben den biologisch zertifizierten Weinbergen und dem Nachhaltigkeitsengagement des Weinguts wird hier auf Holzausbau und alte Traubensorten gesetzt. Das Ergebnis sind langlebige Rosés, die von Komplexität, Struktur und einem langen, salzigen Finale geprägt sind. 

Château d'Esclans

Château d'Esclans, idyllisch im Herzen der Provenceregion gelegen, wurde 2006 von Sacha Lichine mit der ambitionierten Vision erworben, einen der größten Roséweine der Welt zu schaffen und die "Renaissance des Rosés" einzuleiten. Der Erfolg gab ihm Recht: Heute ist besonders die Cuvée Whispering Angel eine globale Referenz für provenzalischen Rosé. Die Trauben für diesen ausgezeichneten Wein werden nachts geerntet, sorgfältig handverlesen und optisch sortiert. Die Assemblage aus Grenache, Syrah, Cinsault und Rolle wird in thermoregulierten Edelstahltanks fermentiert und besticht durch ihre transparente Farbe und intensive Frucht. 

Domaines Ott

Als Marcel Ott 1912 das Weingut Château de Selle erwarb, begann er eine Revolution in der Provence – eine Region, in der Roséweine lange als minderwertig galten. Heute umfassen die Domaines Ott drei prestigeträchtige Weingüter: Château de Selle, Clos Mireille und Château Romassan, alle mit dem begehrten Status "Cru Classé". Ihre Weine, wie der 2024er Château de Selle mit seiner delikaten Balance aus Mineralität, Salzigkeit und Fruchtaromen von weißen Früchten und Zitrusfrüchten, werden in unverwechselbaren amphorenartig geschwungenen Flaschen präsentiert. Seit 2018 gehört das Weingut zur Champagne Louis Roederer-Gruppe, wird aber weiterhin von der Familie Ott geführt. 

Bandol und Tavel: Zwei Rosé-Appellationen im Vergleich

Die Appellation Tavel, gelegen am rechten Ufer der Rhône, widmet sich vollständig und exklusiv dem Roséwein. Hier entstehen kraftvolle, strukturreiche Rosés, die sich deutlich vom gängigen Bild des leichten Sommerweins abheben und als lagerfähige, charaktervolle Essensbegleiter einen besonderen Status genießen. Die bekanntesten Roséproduzenten von Tavel sind Domaine de la Mordorée, Château d'Aquéria und Prieuré de Montézargues. Ihre Weine zeichnen sich durch kräftige Farben und intensive Aromen aus, die durch eine längere Mazeration der Traubenhäute erreicht werden.

In Bandol hingegen, an der sonnenverwöhnten Mittelmeerküste zwischen Marseille und Toulon, spielt der Rosé zwar eine herausragende Rolle und prägt das Image der Appellation maßgeblich – doch neben den eleganten, komplexen Bandol-Rosés werden hier ebenso tiefgründige Rotweine aus Mourvèdre und in kleinerem Umfang auch Weißweine erzeugt.
Die Roséweine aus Bandol sind typischerweise körperreich und strukturiert, während die aus Tavel für ihre kräftige Farbe und würzigen Noten bekannt sind. In Bandol zählen zu den renommiertesten Roséwein-Produzenten unter anderem Domaine Tempier, Château de Pibarnon und Domaine Ott. Hier entstehen tiefgründige, komplexe Roséweine mit ausgezeichnetem Reifepotenzial.

Welche Trauben werden für Rosé verwendet?

Die Rebsorten 

Die Spitzen-Roséweine aus Frankreich verdanken ihren Charakter einer harmonischen Assemblage traditioneller Rebsorten. Grenache, bekannt für seine Aromen von Erdbeeren und Hibiskus, bildet oft die Grundlage dieser Weine. Cinsault, eine der ältesten Rebsorten der Region, bringt erfrischende Noten roter Früchte ein und verleiht den Weinen Leichtigkeit. Syrah fügt würzige Nuancen und Struktur hinzu, während Mourvèdre-Trauben, besonders in warmen und trockenen Gebieten wie dem Languedoc-Roussillon oder dem Rhônetal, für Tiefe und Komplexität sorgen. Diese sorgfältige Auswahl und Mischung der Rebsorten ermöglicht es renommierten Weingütern wie Château d'Esclans, Château de Pibarnon und Domaine Tempier, Spitzenrosés mit Welt-Renommee zu produzieren, die das mediterrane Terroir und die Weinbautradition Südfrankreichs widerspiegeln.

Auch andere berühmte französische Rotweinsorten wie Cabernet Sauvignon und Pinot Noir werden für Rosé verwendet, spielen aber bei den international renommierten Rosés eine untergeordnete Rolle. Cabernet Sauvignon findet sich häufiger in Rosés aus anderen französischen Regionen wie der Loire, wo er fruchtige, strukturierte Rosés mit Noten von Cassis und roten Beeren liefert. Pinot Noir hingegen ist vor allem für elegante Rosé-Schaumweine aus der Champagne und dem Burgund bekannt. Diese beiden Sorten sind also eher Randerscheinungen im Segment der Spitzenrosés.

Ein wenig Roséwein-Geschichte

Roséwein hat in Südfrankreich eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Schon die Griechen brachten im 6. Jahrhundert v. Chr. den Weinbau in die Provence, und die Weine jener Zeit waren vermutlich eher hell in der Farbe – ähnlich dem, was wir heute als Rosé bezeichnen würden. Die ersten südfranzösischen Weine waren blass, da die Technik der langen Maischegärung, die für tiefrote Weine nötig ist, damals noch nicht weit verbreitet war. Roséartige Weine waren daher vermutlich die ersten „Rotweine“ der Region. Während im 18. und 19. Jahrhundert in Bordeaux und Burgund kräftige Rotweine immer populärer wurden, blieb der helle Wein der Provence ein regionales Produkt, geschätzt für seine Frische und Leichtigkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Roséwein, sich über Südfrankreich hinaus zu verbreiten.

Überproduktion und industrielle Massenware 

In den 1980er-Jahren wurde Roséwein immer beliebter, was zu einem starken Anstieg der Produktion führte, vor allem im Languedoc-Roussillon. Viele Erzeuger setzten auf Quantität statt Qualität, um den steigenden Bedarf zu decken. Dies führte zu wässrigen, belanglosen Rosés, die oft zu süß oder unausgewogen waren. Die industrielle Massenproduktion drückte die Preise und ließ Rosé als einfachen, minderwertigen Urlaubswein erscheinen – fernab von dem hochwertigen Image, das der farbenfrohe Wein heute dank namhafter Produzenten wie Château d'Esclans oder Miraval hat.

Rückgang der Roséwein-Nachfrage und Image-Schaden

Gegen Ende der 1990er-Jahre begann die Nachfrage zu stagnieren, da Rosé als billiger Massenwein ohne Charakter galt: Während französische Konsumenten auf hochwertigere Weiß- und Rotweine setzten, wurde Rosé eher mit einfachen Sommerweinen oder minderwertigen Supermarktprodukten assoziiert. Vor allem in den USA und Großbritannien galt Rosé damals noch als „Zweitwein“ – etwas, das weder die Raffinesse eines Rotweins noch die Frische eines Weißweins hatte.

Südfrankreichs Qualitätsoffensive

Anfang der 2000er begannen Winzer in der Provence gezielt auf Qualität zu setzen, mit leichteren, eleganteren und trockeneren Rosés. Château d'Esclans mit "Whispering Angel" (2006) war ein Wendepunkt, da er zeigte, dass Rosé auch edel, anspruchsvoll und teuer sein kann. Parallel dazu förderte der Lifestyle-Trend an der Côte d’Azur und in Saint-Tropez das Image von Provence-Rosé als Luxussymbol.

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